Bessere Customer Experience durch User Experience mit Brand Experience - Unser Rückblick auf die webinale 2019
Gestaltet sich ein digitales Angebot für den Nutzer einfach erfassbar und intuitiv gut bedienbar, so führt dies zu einem positiven Erlebnis (User Experience; UX). Reichert man Angebote und Gesamtauftritte jedoch um authentische Markenerlebnisse an (Brand Experience; BX), so eröffnen sich kraftvolle Potentiale, die durch ihre symbiotische Wirkung die gesamtheitliche emotionale Nutzerbindung begünstigen (Customer Experience; CX)
Doch wie kommen Unternehmen dahin? Diese Frage hat uns auf der webinale 2019 und der parallel stattfindenden International PHP Conference Spring (IPC) in Berlin beschäftigt. Wir waren mit unseren drei Kreativen Mareike, Isabel und Gunnar und mit unserem TYPO3 Entwickler Marco vor Ort und haben Vorträge gehört, die sich diesem Thema aus Designsicht und aus technischer Perspektive nähern. Unsere Gedanken im Rückblick auf die Konferenz möchten wir hier teilen.
Nutzer handeln spontan und impulsgesteuert
Bei rund 95 Prozent der Kauf- und Konsumentscheidungen geben unsere Gefühle den Ton an. Nur etwa 5 Prozent der Entscheidungen sind rational geprägt. Mit diesen Zahlen eröffnete Dr. Philipp Spreer seinen Vortrag. Deshalb sei eine modellhafte Customer Journey, die auf rationalen Entscheidungsmustern der Kunden basiert, für Website-Konzepter und UX Designer eher Wunschdenken als Realität. In seinem Vortrag „PsyConversion – Websiteoptimierung mit verhaltenspsychologischen Prinzipien“ hat Spreer angerissen, welche unbewussten Verhaltensmuster (Behavior Patterns) unseren Entscheidungen zugrunde liegen und wie man dieses Wissen im E-Commerce zielgerichtet anwenden kann. Beispiele sind die Verhaltensmuster “Curiosity“ (Neugier wecken, z.B. über wirksam eingesetztes Storytelling) oder “Social Proof“ (Wir orientieren uns an anderen, z.B. über Testimonials). Auf die Implementierung der Patterns im Kontext des Produktes und der Zielgruppen kommt es an. Wie etwa durch die Markeninszenierung, die richtige Platzierung der Call-to-Actions oder auch nur durch den bewussten Umgang mit Weißraum zur wirkungsvolleren Betonung von Texten und Bildern. Es war für uns sehr interessant nachzuvollziehen, wie schon kleinste optische oder textliche Änderungen große Auswirkungen auf die Verbesserung der Conversion Rate hatten.
Es scheint, dass wir mit den Behaviour Patterns ein wirksames Instrument an der Hand haben, um Websites für kommerzielle Ziele zu optimieren, noch intuitiver bedienbar zu machen oder eine konsistente Brand Experience zu schaffen. Allerdings - und das ist uns im Nachgang auch bewusst geworden - ist der Einsatz der Patterns ganz sicher nicht der alleinige Garant für den Erfolg. Und ganz sicher ist es auch keine Maßnahme, die man beliebig für jedes Projekt adaptieren kann. Sondern der Einsatz der Behavior Patterns, von denen es unzählige gibt, sollte immer individuell auf das Produkt und die Zielgruppe zugeschnitten sein.
Umso mehr bestätigt das die Entwicklung einer allem zugrunde liegenden Customer Journey, denn sie liefert wertvolle Erkenntnisse, an welcher Stelle der Entscheidungsfindung sich ein Kunde befindet und wann der Einsatz welches Patterns sinnvoll sein kann. Gerade auch dann, wenn kein Budget für umfangreiche Nutzerstudien zur Verfügung steht, um den Entscheidungskontext der Nutzer auf Basis von erhobenen Daten nachzuzeichnen.
UX muss sich gut anfühlen
Denn unsere Gefühle geben ja wie erwähnt den Ton an. Doch welche gestalterischen Details können Markenwerte transportieren und sich gleichzeitig für die Nutzer gut anfühlen? Diese Frage hat Felix van de Sand in seinem Beitrag, der uns in sehr guter Erinnerung geblieben ist, aufgeworfen. Er untersuchte einen weiteren psychologischen Ansatz, der im User Experience Design schon länger Einzug gehalten hat. Danach sollten bei der Gestaltung von Weboberflächen und digitalen Lösungen generell sieben Nutzerbedürfnisse im Mittelpunkt stehen. (Bedürfnisskala nach Sheldon)
- Kompetenz - Bewältigen von Herausforderungen. Erleben von Selbstwirksamkeit.
- Verbundenheit - Nähe zu anderen Menschen.
- Bedeutsamkeit - neue Einsichten zu erlangen.
- Stimulation - Neues kennenlernen, Neugier, Unterhaltung, Ablenkung.
- Sicherheit - Entspannung durch Planbarkeit und Struktur.
- Popularität - Anerkennung bei anderen finden.
- Autonomie - Dinge frei entscheiden können.
Bei der Konzeption eines neuen Produktes sind nicht nur die funktionellen Eigenschaften des Produktes an sich wichtig, sondern auch, wie sich die Nutzung anfühlt. Am Beispiel eines Produktfinders könnte man prüfen, inwieweit sich der Nutzer des Tools als selbstwirksam, kompetent oder bedeutsam erlebt und dadurch ein gutes Gefühl bekommt. In Zukunft werden diese psychologischen Ansätze, die den Nutzer als ein fühlendes Wesen im Zentrum sehen, für das UX Design sicher eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen.
Interessant war der Vorschlag von van de Sand, auch Markenwerte als Bedürfnisse zu verstehen und ihnen bei der Gestaltung von UX mit gezielten Maßnahmen zu begegnen. Er brachte das Beispiel der HypoVereinsbank, die über ihre Banking App die Unternehmenswerte Anspruch, Souveränität, Klarheit und Empathie vermitteln möchten. Inwieweit das gelingt, könne man validieren, indem man die Markenwerte mit dem oben beschriebenen Bedürfnis-System abgleicht und in Beziehung setzt.
Van de Sand hat in dem Zusammenhang auch die Rolle von contentunterstützenden Animationen hervorgehoben. Seiner Ansicht nach – und das deckt sich ganz mit unserem Verständnis - kann eine Animation nur einen guten Job machen, wenn sie auch auf die Markenwerte einzahlt. Ist eine Marke von ihrem Wesen dynamisch, dann sollte das auch die Animation sein.
Die Konkurrenz wird größer –
visuelles Storytelling und animierte Inhalte deshalb wichtiger?
Unternehmen sollten sich öfter trauen visuelles Storytelling einzusetzen, denn bildstarke emotionale Markenkommunikation dringt zum Kunden eher vor, als Texte in biblischer Länge. Bewegte Bilder können ein komplexes Thema häufig schneller und verständlicher erläutern oder eine gewünschte Aussage vermitteln.
Visuelles Storytelling steht sowohl für das visuelle Erzählen einer Geschichte über ein Unternehmen oder eine Marke, als auch für die visuelle Erläuterung von Prozessen und Abläufen. Der überwiegende Teil der Informationen wird demnach über visuelle Elemente transportiert – ggf. ergänzt um kurze, prägnante Textbausteine. Auf diese Weise können selbst komplexe Themen schnell und einfach erfassbar gemacht werden. Visuelles Storytelling beschränkt sich dabei nicht auf das Videoformat, sondern verfügt über mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten – hier seien animierte Infografiken im SVG-Format als Beispiel genannt.
Daniel Connerth hat in seinem Vortrag: „Webanimationen effizient einsetzen“ die Rolle von animierten Inhalten hervorgehoben, um in Zukunft gute UX und damit aktivierende Erlebnisse für Nutzer zu schaffen. Animationen sollten aber nicht, wie leider häufig zu sehen, zur reinen illustrativen Beschönigung eingesetzt werden, sondern einen echten Zweck erfüllen. Denn nur dann - und da sind wir mit Daniel ganz d´accord - können sie die maximale Wirkung erzielen. Intelligent eingesetzt genügen oft schon einfach generierte Animationen wie Einzelbilder, die in Sequenzen ablaufen, oder ein Bild, das sich entgegen zur Mausbewegung hin und her bewegt.
Der Hauptgrund, warum uns Daniels Beitrag bis heute in positiver Erinnerung geblieben ist, war der wirklich gute Überblick über Tools und Einsatzzwecke von Animationen. Er zeigte im Detail, wie man mit GreenSock (Javascript Bibliothek für Animation im Web) SVG Grafiken auf HTML-Ebene schon mit ein paar Zeilen Code animieren kann. Wer hier mehr wissen möchte, dem sei sein Vortrags-Video empfohlen. Für uns ist es außerordentlich spannend weiter zu verfolgen, welche Formate und Technologien sich für verschiedene Themenwelten eignen und wie es gelingen kann, insbesondere über animierte Inhalte eine Brand Experience zu schaffen, die bei Kunden nachhaltig ankommt.
Hochwertige Software durch testgetriebene Entwicklung
Unser TYPO3 Entwickler Marco hat sich auf der PHP Conference Spring mit Fragen zur Verbesserung der Softwarequalität und Fehlervermeidung auseinandergesetzt. Die Konferenz startete für ihn mit einem ganztägigen Workshop über testgetriebene PHP-Entwicklung mit PHPUnit, Symfony und Doctrine. Chris Holland entwickelte in diesem praktischen Workshop zusammen mit den Teilnehmern eine Software, um Taxi-Fahrten zu verwalten. Die Softwarearchitektur der einzelnen Komponenten wurde im Detail besprochen und um weitere Architekturschichten erweitert. Das Ergebnis waren klare Zuständigkeiten von einzelnen Anwendungsklassen und gute Lesbarkeit der eigentlichen Businesslogik.
Das Hauptaugenmerk lag auf testgetriebener Entwicklung in der auch von uns eingesetzten Entwicklungsumgebung PHPStorm. Der wesentliche Vorteil der testgetriebenen Entwicklung, den wir uns in Zukunft in unseren PHP-Projekten noch stärker zu Nutze machen werden, ist das hohe Potenzial zur Fehlervermeidung, denn die Testbarkeit eines Systems ist schon zu Beginn Bestandteil eines Projektes. In der erstellten Beispielsoftware wurden alle Ebenen so schlank wie möglich gehalten und konnten automatisiert auf ihre korrekte Funktionsweise getestet werden.
Das im Workshop erworbene Wissen zur Aufteilung von Software in Entities und DTO‘s, sowie der Interaktion mittels Commands, Services und Repositories wurde bereits bei einem Hacktisch im TYPO3-Team geteilt und diskutiert. Die Verfeinerung unserer bisherigen MVC-Struktur um Data-Transfer-Objects(DTO) und Kapselung von komplexer Business-Logik in Commands fand bereits erste Anwendung im kürzlich gelaunchten RKWCampus-Portal.
Der Workshop und andere Vorträge auf der PHP Conference Spring, wie CleanCode von Stefan Priebsch und CodeReviews von Frank Koornstra haben uns darin bestätigt, dass wir das Thema saubere PHP-Entwicklung und Softwarequalität bei uns im TYPO3-Team schon seit längerem sehr gut angegangen sind und uns aktuell auf einem guten Weg befinden.
Nicht vergessen: Einfachheit als Ziel des WWW der ersten Stunde
Bei aller Gestaltungsfreiheit sollten wir uns hin und wieder an die ursprünglichen Prinzipien des Internets erinnern. Das Web ist für alle da, Websites sollten deshalb in erster Linie gut erreichbar und leicht bedienbar sein!
Daran appellierte Bruce Lawson in seiner Keynote zum richtigen Einsatz grundlegender Frontend-Technologien auf der PHP Conference Spring, mit der wir unseren Rückblick beenden wollen. Eine gute User Experience sollte demnach unbedingt mit konsequenter Vereinfachung einhergehen, die sich im Frontend durch das Design und effizienten HTML Code-Einsatz bemerkbar macht.
Gleichzeitig müssen digitale Unternehmen auf immer größeren Märkten bestehen. Das kann aus unserer Sicht nur gelingen, wenn wir User Experience mit Brand Experience und Customer Experience zusammen denken und unsere Technologien und Workflows in diesem Sinne einsetzen.
Unterm Strich hat sich unsere Teilnahme auf der diesjährigen webinale und der PHP Conference Spring gelohnt. In vielen Dingen sahen wir uns in unserem Tun bestätigt, und wir konnten neue Impulse für unser weiteres Schaffen mitnehmen.